Perspektiven
Der Dia(b)log „Banktank“ ist ein Forum in dem ich versuchen will eine Vision auszugestalten und zu konkretisieren. Zurechtweisungen und Kommentare anderer Teilnehmer sind auf dieser Reise essentiell, da in sozialen Fragen nie jemand recht haben kann, sondern nur Wege beschritten werden können. Ziel kann es nur sein, die Wege so gut zu bauen, dass andere mitgehen können. Es geht mir nicht um eine Theorie und die Verteidigung derselben, oder irgendeine abstrakte Allgemeingültigkeit - das interessiert mich wenig, sondern mich interessiert Bewegung: Werden und Vergehen. Denn „was fruchtbar ist, allein ist wahr,“[1].
Um einen Ansatzpunkt zu finden, was die Rolle eines Unternehmens im Finanzwesen sein kann, möchte ich von drei Dimensionen ausgehen, die liniear unabhängig sind und sich im gesellschaftlichen Kontext gegenseitig bedingen. Die drei Dimensionen können kurz als ökonomische, soziale und kulturelle Dimension beschrieben werden. Diese Dimensionen klingen bereits während der Französischen Revolution als Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit an. Rudolf Steiner hat dieses Motiv aufgegriffen und formuliert es im Rahmen seiner Dreigliederungsinitiative als Geistesleben, Rechtsleben und Wirtschaftsleben[2]. Pierre Bourdieu "kapitalisierte" die drei Dimensionen und formulierte 1983 eine Aufteilung in drei relevante Kapitalformen: Ökonomisches Kapital, Kulturelles Kapital und Soziales Kapital[3].
Wenn eine Dimension wegfällt, verliert der soziale Organismus sofort seine Lebensgrundlage (vergleichbar etwa mit dem Ausfall der Atmung bei z.B. intaktem Gehirn). Das Unternehmensziel der Kennzahlenoptimierung hat bereits alle drei Dimensionen des Organismus aus dem Blick verloren, obwohl sie noch soweit funktionieren, dass der Organismus am leben bleibt. Was ergibt sich aber, wenn Kennzahlen nur als Hilfestellung zur Beurteilung der Situation des Organismus herangezogen werden? Ähnlich wie wir auch unseren Puls nur messen, um unsere Gesundheit zu beurteilen und nicht auf unsere Gesundheit achten, damit der Puls sich einem bestimmten Zielwert nähert. Wie gestaltet sich ein Unternehmen, das jede Dimension explizit als Ziel anstrebt? Welche Gestalt bekommt dadurch ein Unternehmen des Finanzwesens? Ist es naiv zu glauben, dass unternehmerisches Handeln aus anderen Motiven als finanziellen Anreizen möglich (oder vielleicht sogar die Regel) ist? Die drei Dimensionen folgen jeweils ihrer eigenen Logik und bilden einen gemeinsamen Raum – den Wohnraum unserer Gesellschaft. Im Dia(b)log werde ich mich bemühen diesem Wohnraum näher zu kommen und die Ergebnisse wo möglich in das tägliche Leben zu integrieren. Es kommt dabei nicht auf einen allgemeingültigen Weg an, sondern auf einen von vielen gangbaren Wegen - die Erfahrung wird zeigen, welchen Wert die hier angestellten Betrachtungen haben.
[1] J.W. Goethe: Vermächtnis, Hamburger Ausgabe, Band 1, S. 370, dtv 2000
[2] Rudolf Steiner: Die Kernpunkte der Sozialen Frage, Rudolf Steiner Verlag Dornach/Schweiz
[3] Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital - Kulturelles Kapital - Soziales Kapital, in Die verborgenen Mechanismen der Macht, VSA-Verlag 2005